Authoren | MARTIN FRITZ, MARTIN SEIWERT, ANNINA REIMANN
Veröffentlicht am 3. August 2018 in der 32. Ausgabe der WirtschaftsWoche
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Seit der deutsche Roboterbauer Kuka Chinesen gehört, fürchten Autohersteller um ihre Daten. Davon profitiert der japanische Rivale Fanuc.

Zwischen den Bäumen auf dem Werksgelände am Fuß von Japans heiligem Berg Fuji leuchten viele gelbe Farbflecke auf. Die Arbeitsanzüge sind ebenso gelb wie die Fahrzeuge und die Produktionshallen. Gelb sind auch die Roboter, die rund um die Uhr neue gelbe Roboter bauen. Surrend greifen sich ihre Arme neue Einzelteile, stecken sie ineinander, ziehen Schrauben an. Die wenigen Aufseher können kaum erkennen, welcher Roboter baut und welcher gebaut wird. Daher sind die Muttermaschinen mit einem grünen Band am Greifer markiert.

Robots from the FANUC rangeViele der 7000 Industrieroboter, die die Fabriken des Herstellers Fanuc in Oshino jeden Monat verlassen, werden Fahrzeugkarosserien schweißen und lackieren. Und das nicht nur in Japan. Das Unternehmen exportiert seine Maschinen nach China, nach Nordamerika - und immer häufiger auch nach Deutschland. 'Vor wenigen Jahren wurden unsere Roboter nur bei Opel eingesetzt, aber das hat sich drastisch geändert', sagt Konzernchef Yoshiharu Inaba, der zum Gespräch im - natürlich - gelben Blazer erscheint. Mittlerweile kämen die japanischen Maschinen bei mehreren deutschen Autobauern zum Einsatz.

Bisher hat in ihren Fabriken eindeutig ein anderer Hersteller dominiert. Die Position des Augsburger Roboterbauers Kuka ist aber nicht mehr unangefochten. 'Die Marktanteile haben sich verschoben', sagt der Münchner Automatisierungsexperte Professor Horst Wildemann. Als ein möglicher Grund dafür gilt in der Branche der Eigentümerwechsel bei Kuka. Vor zwei Jahren hat der chinesische Elektrokonzern Midea die Mehrheit an dem Unternehmen übernommen. Seitdem fürchten Autobauer, dass strategisch wichtige Produktionsdaten nach China abfließen und dort in den Besitz von Wettbewerbern geraten könnten.

Die Bedenken hält Experte Wildemann grundsätzlich für nachvollziehbar. Da sich Midea beim Kauf aber strengen Regeln unterworfen habe, bestünde für diese Ängste konkret kein Anlass. 'Der Vertrag schließt jeglichen Zugriff auf die Daten unserer Kunden aus', bekräftigte auch Kuka-Chef Till Reuter kürzlich im Interview mit der WirtschaftsWoche.

Ein Rest von Misstrauen aber bleibt. 'Wir achten darauf, dass wir uns nicht zu sehr von einem Unternehmen abhängig machen, das in chinesischer Hand ist', heißt es bei einem großen Autobauer. Die Vorbehalte registriert auch Ralf Winkelmann. 'Ich kann nicht in die Köpfe der Autobauer blicken', sagt der Geschäftsführer von Fanuc in Deutschland. 'Aber Fakt ist, dass wir viele Projekte akquirieren konnten.'

Mit rund 226 Millionen Euro Umsatz in Deutschland hat der japanische Hersteller im vergangenen Jahr einen Rekordwert erzielt, erstmals hat er dabei mehr als 5000 Roboter verkauft. Sein Marktanteil liegt damit bei mehr als 25 Prozent. In den Fabriken von Volkswagen ist Fanuc schon die Nummer zwei. Für Teile der Produktion bestellten die Wolfsburger einem Insider zufolge jüngst genauso viele Maschinen bei den Japanern wie bei Kuka.

Der Griff der Chinesen nach dem Augsburger Roboterbauer hatte die deutsche Autoindustrie 2016 in Alarm versetzt. Die über das Internet vernetzten Maschinen lassen tiefste Einblicke in die Produktion zu. Tausende Roboter, die ständig Daten über Produkte, Stückzahlen und Qualität an Kuka übermitteln, sind ein perfekter Seismograf der ganzen Industrie.

Für chinesische Hersteller, die in der Branche mittlerweile als durchaus ernst zu nehmende Konkurrenten von morgen gelten, wären diese Informationen von kaum schätzbarem Wert. Um ihre Ängste zu artikulieren, wurde eine Reihe deutscher Automanager deshalb 2016 auch im Berliner Wirtschaftsministerium vorstellig. Öffentlich stellte sich anschließend jedoch kein Autoboss gegen die Übernahme. Dass die Regierung in Berlin chinesische Firmenkäufe in Deutschland nun erschwert und gerade erstmals eine Übernahme untersagt hat, ist auch eine Folge der damaligen Diskussion.

Fanuc-Chef Inaba sieht sich nicht als Profiteur der verbreiteten Chinaskepsis. Er verweist lieber auf die hohe Zuverlässigkeit seiner Maschinen. Das Unternehmen garantiere den Kunden lebenslangen Service, egal, wie alt die Roboter würden: 'Unsere höchste Priorität liegt darin, dass Fabriken mit unseren Maschinen niemals stoppen müssen', sagt Inaba. Neue Fanuc-Roboter laufen vor der Auslieferung mit höchster Geschwindigkeit eine ganze Nacht durch, um ihre Funktionen unter Volllast zu testen.

Gegründet wurde Fanuc als Abteilung von Fujitsu

In Deutschland ist das Unternehmen bisher wenig bekannt. Global aber ist es schon seit Langem eine Macht. Mit weltweit 400.000 aufgestellten Einheiten führt Fanuc bei Industrierobotern vor Yaskawa (360.000 Stück) und ABB (300.000 Stück). Zudem ist Fanuc der weltgrößte Hersteller von Fräs- und Bohrmaschinen, die etwa bei der Produktion von Smartphone-Gehäusen zum Einsatz kommen. 2017 sprang der Umsatz um 35 Prozent auf den Rekord von 5,7 Milliarden Euro - und dies bei einer Nettomarge von 25 Prozent, weit über dem Branchenschnitt. Kuka erreichte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro.

Der Firmenname Fanuc steht für Fuji Automatic Numerical Control und verweist damit auf den Ursprung des Unternehmens, das Steuerungen für Werkzeugmaschinen entwickelte. 1956 gründete der Ingenieur Seiuemon Inaba das Unternehmen als Abteilung von Fujitsu, seit 1972 ist es eigenständig. Wenig später bauten die Japaner auch Motoren für Maschinen, später folgten dann Industrieroboter und kleine Werkzeugmaschinen. Zusammen mit seinen japanischen Kunden expandierte Fanuc schließlich nach China und Nordamerika.

Schnell standen die gelben Roboter auch in Autofabriken von General Motors und tauchten schließlich auch in den Fabriken deutscher Fahrzeugbauer in den USA und Mexiko auf. Fanuc nutzte die Kontakte zu den deutschen Autoriesen und passte seine Maschinen an deutsche und europäische Normen an. Im Sommer 2017 eröffnete das Unternehmen in Luxemburg ein Vertriebszentrum, im Herbst weihte Fanuc in Neuhausen bei Stuttgart einen deutschen Entwicklungsstandort ein.

Den globalen Erfolg führte Gründer Inaba einst auch auf die extreme Abschottung zurück. Roboterverkauf sei wie Krieg, verkündete er und ließ Informationen zu Geschäften, Kunden und Maschinen deshalb wie militärische Geheimnisse hüten. E-Mails durften Mitarbeiter zum Beispiel lange nur von speziellen Terminals ver­schicken. Seit 2015 hat sein Sohn und Nachfolger das Unternehmen jedoch ein Stück weit geöffnet. 'Wir sind kein gelber Kult ­hinter einem geheimnisvollen Schleier', ­betont der 69-jährige Fanuc-Chef. Ein solches Image würde ausländische Kunden nur verschrecken.

Die Zeichen stehen weiter auf Expansion: Ein neues Werk im japanischen Chikusei nimmt im August den Probebetrieb auf und fährt die Kapazität bis Ende 2019 auf 4000 Einheiten hoch. Damit will Fanuc dann monatlich bis zu 11.000 Roboter produzieren.

Und die Offensive der Japaner reicht noch weiter. 2019 will Fanuc in Deutschland die Softwareplattform FIELD für die komplette Vernetzung von Maschinen, Robotern, Steuerungen und Sensoren in einer Fabrik präsentieren. Dadurch soll sich das Konzept der Zero Downtime (null Standzeit) erweitern lassen, mit dem Fanuc schon seit zwei Jahren in den USA punktet. Die Roboter liefern dann in Echtzeit Daten zu ihrem Betrieb. Das ermöglicht eine vorbeugende Wartung durch rechtzeitigen Austausch verschlissener Teile. 'Wir haben die fortschrittlichste Technologie und sind dadurch Teil des Wandels zur Industrie 4.0', erklärt Konzernchef Inaba selbstbewusst.

Die nahe an der Maschine erhobenen Daten speichert Fanuc nicht im Rechenzentrum eines sogenannten Cloud-Anbieters, sondern verarbeitet sie direkt selbst weiter. Das soll die Sicherheit erhöhen. Dabei kooperiert Fanuc eng mit Preferred Networks, dem wichtigsten japanischen Start-up für künstliche Intelligenz.

Wachstumsgrenzen sieht Inaba keine, der Markt für Industrieroboter werde in Zukunft viel größer sein. So ließen sich Roboter etwa in der Endmontage der Fahrzeuge einsetzen und könnten dort mittelfristig jeden zweiten Arbeiter ersetzen. Wie das gehen soll, ist in einem Vorführraum in Oshino zu sehen. Dort legt ein sogenannter kollaborativer Roboter ein Reserverad im Kofferraum ab, ein Arbeiter muss es nur noch festschrauben. Der 'Cobot' stoppt automatisch, wenn ihm der Mensch zu nahe kommt.

In den Fanuc-Fabriken arbeiten Mensch und Maschine testweise schon zusammen. Ein Greifarm hebt einen schweren Kabelbaum, führt ihn an ein halb fertiges Robotergerippe heran und gibt mündlich das Kommando 'Bitte Arbeit beginnen'. Dann darf der Arbeiter den Strang befestigen. 'Noch tun sich die Maschinen mit allen weichen Materialien schwer, aber die technologische Entwicklung verläuft derzeit exponentiell', sagt Inaba. Um die Cobots zu kennzeichnen, ummantelt Fanuc sie mit grünem Schaumstoff. Mit einem solchen Schutzpolster darf Wettbewerber Kuka nicht rechnen.

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